Die Europäische Lärche ist Baum des Jahres 2012
Michael Schlote
Frisches Grün im Frühjahr und gold leuchtende Nadeln im Herbst, die Europäische Lärche (Larix decidua), Baum des Jahres 2012, ist ein wandlungsfähiger Nadelbaum, der noch andere Besonderheiten zu bieten hat. Der Nadelverlust im Winter steht in direktem Zusammenhang mit der Herkunft des Baumes. Die Lärche ist damit in der Lage, die höchsten Erhebungen der Zentralalpen zu besiedeln, wo sie die absolute Baumgrenze markiert. Ihr Vorkommen in den Gebirgswäldern Europas hat zu 4 Unterarten geführt, die als Alpenlärche, Sudetenlärche, Karpatenlärche und Polenlärche bezeichnet werden. Daraus lassen sich gleichzeitig die Hauptverbreitungsgebiete dieser Baumart ablesen. Die Lärche ist zum Beispiel im gebirgigen Österreich mit 25% an der Baumartenzusammensetzung beteiligt, in Deutschland nur mit einem Anteil von 2%, was aufgrund ihrer Heimat leicht zu erklären ist.
An den älteren Zweigen der Lärche sitzen Kurztriebe, an denen in jedem Frühjahr hellgrüne Nadeln austreiben. Sie sind in Büscheln bis zu 50 Nadeln angeordnet. Dort sind auch die Blüten zu finden, die auffällig roten, stehenden weiblichen Blüten und die kleinen schwefelgelben männlichen Blüten. Der Baum ist also als einhäusig und getrennt geschlechtlich zu charakterisieren. Die sich aus den weiblichen Blüten entwickelnden Zapfen sind klein, enthalten bis zu 50 leichte Samen, die sich nach der Reife, die zwei Jahre dauert, gerne vom Wind forttragen lassen. Die neuen Triebe sind gelb gefärbte Langtriebe, die rundum mit Nadeln bedeckt sind und sich erst im zweiten Jahr zu den typischen Kurztrieben umwandeln. Das Erscheinungsbild des Baumes ist spitzkegelig zum besseren Schutz gegen Schneelasten. Es werden bei geeigneten Verhältnissen Baumhöhen bis 55 m erreicht, das Höchstalter wird mit 600 Jahren angegeben. Im Alter entwickelt sich eine dicke grobe Borke, die in tieferen Schichten karminrote Färbung aufweist.
Die besonderen Eigenschaften der Lärche sind also ihre Winterfrosthärte und Leichtsamigkeit, was sie einerseits zur Besiedlung der Gebirge befähigt, ihr andererseits eine schnelle Ausbreitung auf geeigneten Flächen ermöglicht. Zusätzlich ist sie als Pionierbaumart in der Lage, Rohböden zu besiedeln. Dort kann sie ihren Lichthunger befriedigen, der von keiner Überschirmung beeinträchtigt wird.
Die Lärche besitzt eine hohe ökologische Toleranz in kontinental geprägten Situationen. Geringe Niederschläge, niedrige Durchschnittstemperaturen oder kurze Vegetationszeiten haben keinen Einfluss auf ihre Überlebenschancen sondern lassen ihr Holz nur härter und fester werden. Gibt es von Allem etwas mehr, entwickelt sich die Lärche recht schnell in die Höhe und erreicht starke Stammdurchmesser.
Die Lärche produziert schweres und hartes Holz, das in seinem Kernholz schön rotfarben gemasert und wegen seines Harzgehaltes im Außenbereich lange haltbar ist. Es gehört traditionell zu den Hölzern, die für den Innenausbau (Fenster, Türen, Treppen, Dielen, Vertäfelungen) in den Häusern der Gebirgsregionen eingesetzt wird. Es lassen sich auch langlebige Terrassenmöbel, Zäune, Pfähle, Holzpflaster, Spielgeräte oder Hütten daraus herstellen. Die Industrie hat das Lärchenholz für den Bergbau, den Lawinenschutz, für säurefeste Bottiche oder landwirtschaftliche Silos, für Wasser- und Schiffsbauten entdeckt. Voraussetzung für die lange Haltbarkeit ist das Entfernen des meist schmalen gelblichen Splints.
Laut Feststellung von Plinius d. Ä. kann Lärchenholz weder brennen noch verkohlen, was nachweislich falsch ist.
Die Schutzkraft der Lärche soll sich nach dem Glauben des Mittelalters gegen Feuer und Hexen bewährt haben. Der Baum dient danach dem Aufenthalt der dem Menschen wohlgesonnenen Waldgeister, während die bösen Waldgeister die dunklen Fichten- und Tannenwälder bevorzugen.
Lärchensalben aus dem Lärchenterpentin sind bereits bei den Römern bekannt. Sie sollten bei Rheuma, Gicht und Ischias helfen und bestanden aus Bienenwachs, Öl und viel Lärchenharz. Erhitztes Lärchenharz auf die Brust aufgetragen soll bei Erkältungen mildernd und durchblutungsfördernd wirken. Gehandelt wurde Lärchenharz und -terpentin über Venedig, daher auch der gebräuchliche Namen „Venezianisches Terpentin“. In der Aromatherapie werden Essenzen des Lärchenharzes auch heute noch eingesetzt. Wer es gerne herb mag: Die jungen Langtriebe der Lärche lassen sich zu Wildgemüse verarbeiten.
Empfindlich reagiert die Lärche auf Überschirmung oder Spätfrost. Ohne den größtmöglichen Lichtgenuss kann sich die Lärche nicht entwickeln. Obwohl sie den Winterfrost gut bewältigt, ist sie anfällig gegen Spätfrost, der ihre früh austreibenden Kurztriebe zum Absterben bringt. Sturmschäden sind auf den geeigneten Standorten selten, das Wurzelwerk verankert den Baum tiefgründig mit einer starken Herzwurzel. Gefahr droht auch selten vom Lärchenkrebs (Pilz), dem Lärchenwickler (Semasia diniana), der Lärchenminiermotte (Coleophora laricella) oder dem Lärchenblasenfuss (Taeniothrips laricivorus), die zwar Zuwachsverluste verursachen, aber normalerweise nicht zum Absterben des befallenen Baumes führen. Als Saprophyten finden sich gelegentlich verschiedene Röhrlingspilze in der nächsten Umgebung um die Lärchen. Gefährlich werden kann der Lärche aber der Lärchenbock (Tetropium gabrieli) und der Lärchenborkenkäfer (Ips cembrae), deren Auftreten in manchen Gegenden besonders auf den der Lärche nicht zusagenden Standorten zum flächigen Absterben der Bäume geführt hat.
Aus den Ansprüchen dieses Baumes und seiner ursprünglichen Herkunft lässt sich unschwer ableiten, dass geeigneten Standorte zur Nachzucht dieser Baumart in Hessen nur begrenzt zur Verfügung stehen. Es lassen sich in längeren Abständen im Forst Anbauwellen für bestimmte Baumarten nachweisen. Auch die Lärche gehörte zu einer dieser Wellen verstärkter Anbautätigkeit. Sie wurde jedoch durch Standort angepasste Baumarten oder Schadinsekten wieder auf ihr ursprüngliches Areal zurück gedrängt, das in den Höhenlagen der Mittelgebirge zu finden ist. Reine Lärchenbestände sind im Rahmen naturgemäßer Waldbewirtschaftung unerwünscht. Bewährt hat sich die Lärche als Beimischung in Buchen-Naturverjüngungen oder als Randbepflanzung.
Aufgrund der unbefriedigenden Ergebnisse mit der heimischen Lärche in den unteren Lagen wurde die Japanische Lärche (Larix leptolepis oder kaempferi) aus Zentral-Honshu in Japan eingeführt. Die Krone dieses Baumes ist deutlich breiter angelegt, die Äste sind stärker und die Nadeln in den Kurztrieben länger und blaugrün. Die Farbe der Langtriebe ist rotbraun und die Zapfenschuppen sind am Ende rosenförmig nach außen gebogen. Das Holz dieser Lärche ist deutlich geringwertiger. Es gibt inzwischen auch Kreuzungen zwischen beiden Lärchenarten, die als Larix eurolepis bezeichnet werden.